Einen Monat lang auf Selbstbefriedigung verzichten, um…? Ja, warum eigentlich genau? Den November nehmen immer wieder Männer zum Anlass, sich die Challenge zu setzen, nicht abzuspritzen. “No Nut November” heißt das Ganze und wurde ursprünglich vor allem über Reddit und anderen Social Media-Plattformen verbreitet. Folgende Regeln gelten dabei:
- Kein Sex, keine Ejakulation
- “Feuchte Träume” dürfen passieren
- Pornokonsum ist erlaubt, aber darf nicht zum Abspritzen führen
- Wer durchhält, qualifiziert sich für den “Destroy Dick December”
Während andere Herausforderungen wie “Movember” (einen Schnurrbart wachsen lassen) oder “No Shave November” (generell einen Bart wachsen lassen) auf Gesundheitsprobleme wie bspw. Prostatakrebs aufmerksam machen sollen, ist der “No Nut November” eher ein bisschen nuts – um es ganz deutlich zu sagen: unnötig und sogar ungesund. 🙆♂️
Wie die “NoFap”-Bewegung damit zusammenhängt
“NoFap” ist eine Bewegung, bei der Menschen den Konsum von Pornografie sowie Masturbation freiwillig einschränken oder gänzlich vermeiden wollen. Hintergrund dazu bildete eine Studie aus dem Jahr 2003, bei der ein Zusammenhang zwischen Abstinenz und einem erhöhten Testosteronspiegel dargelegt wurde. Gründer Alexander Rhodes ist der Überzeugung, dass ein vollständiger Verzicht auf Selbstbefriedigung Männern dabei helfen soll, Pornosucht und Störungen wie erektile Dysfunktion zu besiegen.
In wissenschaftlichen Studien kann der so simpel dargestellte Zusammenhang zwischen Erektionsstörungen und Pornokonsum jedoch nicht nachgewiesen werden. In der Übersichtsarbeit von Hoagland & Grubbs (2021) heißt es:
“In general, the relationships between pornography use and sexual functioning are complex, often being moderated by variables such as religiousness, gender, sexual orientation, moral beliefs, and relationship status. Accordingly, although there is robust evidence that pornography is indeed related to sexual functioning, we find that there is little evidence for simplistic narratives in public or scientific spheres that describe pornography use as universally good or bad for sexual functioning outcomes.”
📃 Hoagland & Grubbs (2021)
Angst als Ursache für Erektionsstörungen
Die Wissenschaftlerin Nicole Prause hat sich dem Thema in einer groß angelegten Untersuchung genauer gewidmet und kommt zu dem Schluss, dass nicht der übermäßige Pornokonsum die Ursache für Erektionsstörungen ist, sondern typische Symptome von Angststörungen. Laut ihren Daten berichten Männer, die an “NoFap” teilnehmen, häufiger von Erektionsproblemen als solche, die sich von der Bewegung fernhalten. Sie ruft dazu auf, Männer besser über Gesundheit und Sexualität aufzuklären und Mythen zu widerlegen.
Welche gesundheitlichen Vor- und Nachteile hat Selbstbefriedigung?
Hängt die Ejakulationshäufigkeit bei Männern mit der allgemeinen und psychischen Gesundheit zusammen? Diese Frage sollte man sich wohl stellen, wenn man überlegt, den No Nut November auszuprobieren. Forschungsdaten dazu gibt es leider nur wenige, da zum einen methodische Herausforderungen bestehen – und zum anderen Aberglaube und Vorurteile.
💡 Was wir soweit wissen:
- Masturbation ist etwas völlig Normales und eine gewöhnliche Tätigkeit, der Menschen mal mehr oder mal weniger nachgehen.
- Wissenschaftlich sind keine physischen Vorteile von “No Nut November” belegt, auch die vermeintlichen positiven Effekte wie Verbesserung der Konzentration, Steigerung des Testosteronspiegels oder Reduzierung zwanghafter Verhaltensweisen konnten nicht nachgewiesen werden.
- Es gibt jedoch Untersuchungen die darauf hindeuten, dass regelmäßige sexuelle Aktivität und Ejakulation hilfreich sind zur Senkung des Risikos für Prostatakrebs, Verbesserung des Gedächtnisses, tieferen Schlaf, Stärkung des Immunsystems, Verringerung des Risikos für Herzkrankheiten und Verringerung von Entzündungen.
- Soziale Tabus oder Gruppenzugehörigkeiten können Menschen unter Druck setzen und damit Stress und psychische Probleme hervorrufen.
Persönliche Einschätzung
Warum sollte man als gesunder Mann auf die zweitschönste Sache der Welt (nach Essen) verzichten? Sich eine Challenge zu setzen und Grenzen auszuprobieren oder einfach bei einem Späßchen mitzumachen, ist sicher nicht verwerflich. Sobald damit aber Angstsymptome einhergehen oder die Hoffnung besteht, eine ernstzunehmende Erkrankung auf eigene Faust behandeln zu wollen, spreche ich eine klare Warnung aus.
Wenn ihr regelmäßig an Erektionsproblemen leidet, sucht euch ärztlichen oder psychotherapeutischen Rat. Auch wenn ihr das Gefühl habt, viel zu viel zu masturbieren oder andauernd Pornos zu schauen und dadurch euer Alltag beeinträchtigt ist, wendet euch an Profis für Sexualtherapie oder Beratungsstellen.
Gebt bitte auch Acht darauf, dass die “NoFap”-Bewegung stark mit rechten und rassistischen Gruppen assoziiert wird. Manche Posts und Memes sind sicherlich zur allgemeinen Belustigung gedacht, zum Teil stammen diese jedoch von Alt-Right-Anhängern.
Quellen & Angebote: